Ich gebe es zu. Ich möchte gerne eine coole Mutter sein. Ein coole Mutter, mit perfekt erzogenen Kindern, die selbst von ihrer Mutter sagen, dass sie eine coole Mutter ist – versteht sich. Ich arbeite hart an meinem Image als coole, aber ziemlich perfekte Mutter. Das ist anstrengend und macht nicht immer Spaß und ganz nebenbei – es funktioniert auch nicht.
Wie schmal der Grat ist zwischen „Mama, du bist einfach die Beste“ und „Boah Mama, du bist so peinlich!“ muss ich in letzter Zeit immer öfter feststellen…
Happy Birthday – eine Übernachtungsparty
Mein Mädchen ist am 11.11. elf Jahre alt geworden. Das ist ein Grund zum Feiern, das sehe auch ich ein. Ihr größter Wunsch: eine Übernachtungsparty mit ihrer Tanzformation. Das sind insgesamt 12 Mädchen im Alter zwischen 11 und 14 Jahren. Da sie mehrmals in der Woche gemeinsam trainieren, sind sie eine eingeschworene Gemeinschaft und durchweg auch sehr nette Mädchen. Nach einigem Hin und Her und ein paar geschickt eingestreuten Tränen unseres Geburtstagskindes willigten wir schließlich ein.
Mein Mann ließ sich überreden, uns Frauen für diese Nacht das Haus komplett zu überlassen und mit unseren Jungs bei seinen Eltern zu übernachten, damit sich die pubertierenden jungen Damen nicht durch männliche Anwesenheit gestört fühlen würden. Ein Kind überglücklich gemacht, schrieben wir die Einladungen. Auch wenn ich mir bis zuletzt nicht sicher war, ob 12 Mädchen waagerecht in unser Wohnzimmer passen würden.
Ein Selbstläufer: Brause-Ufos und internetfähige Smartphones
Inzwischen kann ich sagen – sie passen. Es war eng, aber sie passen. Ich hatte Hotdogs kredenzt, mit normalen Würstchen und welche mit Geflügelwürstchen, für die, die kein Schwein essen, sieben Tüten Chips, Weingummi und Brause-Ufos besorgt. Ein Selbstläufer – ich war mir sicher. Schnell wurde klar – alles hatte ich nicht bedacht. Plötzlich rannten kichernde Mädchen in die erste Etage auf die Toilette, die ich eigentlich verboten und für mich reserviert hatte. Auf meine irritierte Nachfrage, antwortete meine Tochter weltgewandt: «Mama, die C. und die L. haben ihre Tage und unten ist kein Mülleimer.» Aaah, ja klar – eine Sache, die ich nicht bedacht hatte. Mädchen menstruieren.
Da meine Tochter die Jüngste in ihrer Tanzformation ist, sind wir noch nicht soweit. Ich konnte mit einem Eimer unten schnell Abhilfe schaffen und verzog mich nach oben in meinen „Ostflügel“, um, ganz die coole Mutter, den Mädchen ihre Ruhe zu lassen. Sie kreischten und schrien in Tonlagen, die mir selbst in der oberen Etage die Nackenhaare zu Berge stehen ließen. Nach dem gefühlt 200000. «Ey Leute!» und 100000. «Alter!» fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Ohropax sei Dank!
Irgendwann schreckte ich hoch – und hörte immer noch Mädchenstimmen. Der Wecker zeigte 4h morgens! Ich hielt es für angebracht, mich den Mädchen trotz des peinlichen Winnie Puh-Schlafanzugs zu zeigen und um etwas Ruhe zu bitten. Es herrschte schon allgemeine Unruhe, weil einige Mädchen längst schlafen wollten, andere wiederum nicht. Diese saßen einträchtig im Kreis und chatteten mit ihren Handys. Auch das hatte ich nicht bedacht – diese moderne Technik… Den Computer hatte ich, umsichtig wie ich bin, aus dem Wohnzimmer entfernt, auch der Sky-Receiver war abgebaut, aber Mädchen in dem Alter haben alle selbstverständlich internetfähige Smartphones.
Mit einem freundlichen aber bestimmten: «Nehmt jetzt bitte Rücksicht aufeinander und schlaft jetzt mal alle!» ging ich wieder in mein Bett und klopfte mir heimlich selbst auf die Schulter. Ich fand mich pädagogisch cool und das um vier Uhr morgens… Ich war mir sicher, dass es jetzt klappen würde. Schließlich hatten alle verständnisvoll genickt. Das scheint allerdings bei Mädchen in dem Alter ein Trick zu sein, um pädagogisch coole Mütter in Sicherheit zu wiegen, denn als ich morgens um halb neun vorsichtig ins Wohnzimmer linste, waren einige Mädchen immer noch wach, immer noch – nicht schon wieder! Das Wort „Pumakäfig“ erhält übrigens im Zusammenhang mit „Übernachtungsparty“ eine ganz neue Bedeutung.
Der Stolz einer jeden Mutter: “krass leckere” Marmelade!
Ich machte ein Frühstück und erwischte mich dabei, wie albern stolz ich war, als drei dreizehnjährige meine selbstgemachte Marmelade „krass lecker“ fanden. Das entschädigte mich gleich wieder für die lange Nacht. Rücksichtsvoll zog ich mich nach oben zurück, während die Mädchen frühstückten, ihre Sachen zusammen packten und sich dann noch ausgiebig schminkten und stylten. Hierbei fiel übrigens die unsichtbare Grenze, die ich zwischen Erdgeschoss und oberer Etage gezogen hatte.
Die Mädchen verteilten sich plötzlich über das ganze Haus, um sich zu restaurieren. Verständlich, so übernächtigt, wie einige von ihnen aussahen. Als coole Mutter zieht man sich dann in den allerletzten verbleibenden freien Raum zurück und verarbeitet seine Erfahrungen in diesem Text. Gegen Mittag werden gleich alle Mädchen von sehr ausgeruhten Eltern wieder abgeholt und ich mache mich an die Beseitigung der Partyreste. Da ist man schon fast dankbar, wenn man nicht renovieren muss.
Eine Mahnung an mich und die Welt:
Eine Übernachtungsparty mit pubertierenden Mädchen ist KEIN Selbstläufer. Smartphones sind einzusammeln und Hygieneeimer und -artikel sollten vorsichtshalber immer vor Ort sein. Letzte Memo an mich: Das war die letzte Übernachtungsparty mit pubertierenden Mädchen. Eine Nacht eine coole Mutter gewesen zu sein, reicht völlig aus. Eine Mutter muss nicht immer cool sein. Es reicht, wenn sie perfekt ist. 😉
Hallo, ich bin Isabel, überzeugtes Landei aus dem Sauerland und Mutter einer Tochter, fast 11 Jahre alt und zweier Söhne, 8 Jahre und 16 Monate alt. Meine drei Augensterne arbeiten täglich hart aber fröhlich daran, unser Leben nicht langweilig werden zu lassen.