Fehler zu machen hat für uns Erwachsene einen ganz bitteren Beigeschmack. Daher wollen wir unsere Kinder jederzeit und naturgemäß davor bewahren. Dabei ist es für Kinder wirklich wichtig, stehts neue Dinge auszuprobieren, und dabei sogar Fehler oder kapitale Fehlschläge zu erleben – und zu ertragen. Für Eltern jedoch sind die Fehlschläge ihrer Kinder manchmal weniger ertragbar, als für den Nachwuchs.
Wir alle kennen es, der zweijährige Sohn klettert unerschrocken das Klettergerüst auf dem Spielplatz herauf und wir stehen ungläubig daneben. Wir wissen schon jetzt: rauf kommt er – aber niemals wieder runter! Doch dem Kind diese Erfahrung vorzuenthalten, indem wir den Kleinen durch übereifrige Warnungen und Belehrungen zu sehr verunsichern, macht keinen Sinn. Er braucht die Erfahrung, dass es in seiner (noch recht kleinen) Größe, nicht leicht ist, einen Berg wieder runter zu klettern. Fehler bringen auch bei Kindern Prozesse in Gang, aus denen heraus sie sich für die nächste Situation eine andere Strategie zurechtlegen. Auch eine neue Strategie muss dabei nicht zwingend und sofort funktionieren. Aber wie sagt man so schön? Der Weg ist das Ziel!
Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen
Kindern ist es angeboren, neugierig zu sein. Bereits mit wenigen Monaten erkunden sie ihre Welt ganz genau. Dabei versuchen sie soviel wie möglich zu lernen. Ob greifen, sprechen, oder laufen, alles wird akribisch und zielgerichtet geübt. Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Fehlversuche sie auf ihrem Weg zum Ziel erleiden. Kinder entwickeln eine enorm hohe Frustrationstoleranz.
Gerade wenn Kinder das Laufen lernen, kann man diese herausragende Geduld beobachten. Bereits mit zehn Monaten können die Kleinen sich am Tisch hochziehen und dort stehen. Und von diesem Zeitpunkt an üben sie das Laufen. Zuerst um den Tisch herum. Dabei wird genau probiert, mit wie viel Schwung sie gehen müssen, wie die Füße zu stehen haben, und wie sie das Gleichgewicht halten können. Bei diesen Versuchen landen sie immer wieder auf ihrem Po. Doch sie lassen sich nicht entmutigen. Sie sehen den Fehlversuch positiv und beginnen von vorn – ganz nach dem Motto: “Hinfallen, aufstehen und weiter machen!”. Dies zelebrieren sie so lange, bis der erste freie Schritt getan ist. Und bis dahin können Monate vergangen sein. Doch kein Kind wird irgendwann einfach aufgeben. Das Ziel ist gesteckt – und daran ist nicht zu rütteln.
Im Video: 3 Wege, wie sich Kindheitstraumata auf uns im Erwachsenenalter auswirken
Das Gehirn speichert Erfolge
Das kindliche Gehirn ist darauf ausgelegt jeden kleinen Erfolg zu speichern. Fehlversuche werden zwar verarbeitet, aber zurück bleibt nur der Gedanke, was in der Situation gut geklappt hat. So speichert ein Kind nicht, wenn es beim Laufen üben hinfällt, dass es auf den Po gefallen ist. Es besinnt sich darauf, dass, wenn es mit dem ersten Bein voran gegangen ist, das zweite schnell folgen muss, um nicht umzufallen.
Gespeichert wird also nur die positive Erfahrung. Und durch diese sehr pragmatische Einstellung zur Handlung, will ein Kind immerzu neu Anfangen – und es wieder und wieder probieren. Kinder sind also zu diesem Zeitpunkt tatsächlich deutlich besser in der Lage mit Fehlern umzugehen, als ihre erwachsenen Eltern.
Freiräume geben zum Fehler machen
Natürlich möchten wir Eltern unsere Kinder vor allen physischen und psychischen Leiden bewahren. Das Elternherz leidet bei jeder Schramme beinahe so, als würde man den Schmerz selber spüren. Aber auch bei jedem Lernprozess fiebern wir mit. Klappt etwas noch nicht so gut, oder geht gänzlich daneben, fühlen wir diesen Misserfolg mitunter wesentlich intensiver, als unsere Kinder. Denn wie oben beschrieben, filtern sie nach Erfolg, wir hingegen empfinden einen Misserfolg oftmals als schmerzlich.
Natürlich gibt es Phasen, in denen Kinder eine gewisse Ungeduld entwickeln. Meist aber erst im Kleinkindalter. Und selbst dann kann man Frust und Traurigkeit durch Bestärkung und Lob schnell vergessen lassen. Den Reflex, bei jeder drohenden “Niederlage” sofort den Satz nach vorne zu machen, um unterstützend einzugreifen, sollte man so gut es geht, unterdrücken. Wobei damit natürlich nicht gemeint ist, dass man sein Kind ins offene Messer laufen lassen sollte. Schwere Verletzungen gilt es jederzeit zu verhindern!
Jacqueline ist staatlich anerkannte Erzieherin, Fachkraft für U3 Betreuung, Inklusions- und Integrations-Pädagogin. Neben ihrer beruflichen Laufbahn, ist sie Mutter von zwei Kindern. Einem Mädchen und einem Jungen. Ihre Wissen und ihre Erfahrung schöpft sie also aus beruflichen und privaten Herausforderungen. Das macht sie zu einer perfekten Autorin für unser Magazin.