Immer mal wieder erleben Eltern, dass ihre Kinder von einem anderen Kind gebissen werden. Natürlich sorgt das bei den “geschädigten” Eltern für Entsetzen und Unverständnis. Dagegen sind die Eltern des kleinen Übeltäters meist ratlos und voller Scham über das Verhalten ihres Kindes.
Zwei kleine Piraten spielen friedlich im Kinderzimmer, als auf einmal eines der Kinder laut aufschreit. Paul hat Jakob in den Arm gebissen. Deutlich sind Pauls Zähne abgemalt und klein Jakob kaum zu beruhigen. Ein Grund für die Beißattacke war nicht zu erkennen, und hilflos steht Pauls Mutter vor dem weinenden Jakob. Eine peinliche Situation, die es den Eltern von Jakob zu erklären gilt. Doch wie erklären, wenn man selbst nicht versteht, warum Paul in letzter Zeit so oft andere Kinder beißt?
Beißen ist bei Kindern ein Ausbruch von Gefühlen
Bei den meisten Kindern beginnt das Beißen um den zweiten Geburtstag herum. Mitten in der sogenannten Trotzphase. Die Welt der Kinder steht zu diesem Zeitpunkt Kopf. Sie lernen ihren eigenen Willen kennen und erfahren viele neue Gefühle. So auch Trauer und Wut, weil zum Beispiel gerade ein anderes Kind den geliebten Bagger weg genommen hat. Diese Gefühle auszudrücken fällt den Kleinen jedoch häufig noch schwer. Viele Kinder können sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig mitteilen, und suchen einen Weg, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Sie beginnen zu beißen und zu hauen, denn dieses Verhalten zeigt eine sofortige Wirkung und Reaktion des Gegenübers.
Es fällt schwer das zu schlucken: Aber dieses Verhalten ist eine normale Phase der kindlichen Entwicklung. Meist legt es sich von selbst, wenn die Kinder sprechen gelernt haben, oder aber eine Alternative für das Beißen und Hauen gefunden haben. Doch das erfordert Selbstkontrolle – die hat ein Kind im zweiten Lebensjahr noch nicht erlangt.
Experimente mit Ursache und Wirkung
Kinder sind von Natur aus neugierig und wollen alles erforschen. Ein- und zweijährige machen das noch mit ihrem Mund. Sie lernen, indem sie Dinge in den Mund nehmen und diese ertasten. Der Arm des Spielkameraden stellt da leider keine Ausnahme dar.
Außerdem lernen die Kinder im zweiten Lebensjahr “Ursache und Wirkung” zu verstehen. Das bedeutet, dass sie erkennen, dass ihre Handlung immer eine Folge mit sich bringt. Das will natürlich ausprobiert sein! Wenn ein Kind also ein anderes beißt, dann kann ein Grund sein, dass es einfach herausfinden möchte, was in diesem Fall passiert. Ursache <-> Wirkung.
Räume schaffen
Kleinkinder finden sich häufig in Situationen wieder, in denen sie sich von anderen Kindern beengt fühlen. Kommen zum Beispiel im Kindergarten zu viele Kinder auf den Bauteppich, kann es sich in die Ecke gedrängt fühlen. Oder aber es muss plötzlich mit anderen Kindern Spielzeuge und Aufmerksamkeit teilen, was ihm schwer fällt. Es kratzt, beißt und haut in solchen Situationen, um sich Raum zu schaffen. Platz für all seine Bedürfnisse und für die Intimsphäre.
Auch Reizüberflutung z.B. durch Müdigkeit oder eine laute Umgebung, kann zu aggressivem Verhalten führen. Denn in solchen Momenten hat das Kind noch nicht gelernt, sich zurückzuziehen und sich den eigenen Raum zu verschaffen.
Kontaktaufnahme durch aggressives Verhalten
Meist fällt es den Kindern im Kindergarten leicht, Kontakt zu anderen Kindern aufzunehmen. Sie lächeln sich an, reden kurz und schon wird miteinander gespielt. Doch gerade bei Kindern, die noch Probleme in der Sprache haben, fällt genau das sehr schwer. Sie erlangen keinen Anschluss an die Kindergruppe und suchen einen Weg, um Freunde und Spielkameraden zu finden. In diesen Fällen zeigt sich häufig aggressives Verhalten, wie beißen und hauen. Denn ihre Hoffnung ist, auf diesem Wege Kontakte aufzunehmen.
Eltern stehen hilflos daneben wenn ihr Kind beißt oder haut. Voller Scham stehen sie vor den Eltern des Opfers und wissen die Situation nicht zu erklären. Nun heißt es einen sanften Weg zu finden, damit das Kind sein Verhalten ändert.
Zuerst das traktierte Kind versorgen: Das kleine Opfer der Beißattacke sollte sofort die volle Aufmerksamkeit erhalten. Das Kind sollte auf jeden Fall mehr beachtet werden, als der kleine Beißer. So lernt es, dass es durch das Beißen keine Aufmerksamkeit bekommt. Das gebissene Kind steht an erster Stelle und wird getröstet und die Wunde versorgt.
“Nein” sagen: Aggressives Verhalten bedarf immer einer Reaktion der Eltern. Diese können ihr Kind zur Seite nehmen und ruhig mit ihm sprechen. Klare Aussagen mit wenigen aber deutlichen Worten, sind in solchen Situationen angebracht. “Nein, wir beißen/hauen nicht” oder “Beißen tut anderen Weh, das möchte ich nicht” reicht völlig aus. Eltern können ihrem Kind außerdem Alternativen zum Beißen und Hauen zeigen. Zum Beispiel können Kinder in ein Kissen hauen oder beißen. Bei älteren Kindern ist das Ziel, dass sie lernen, sich verbal zu äußern und zu wehren. So können sie einfach “Nein, ich möchte das nicht” sagen, oder aber ihre Eltern zur Hilfe holen.
Kind nicht profitieren lassen: Wenn das Kind durch sein Verhalten sein Ziel erreicht hat, und beispielsweise nun endlich das gewünschte Spielzeug in den Händen hält, sollten Eltern das Kind nicht davon profitieren lassen. Das Spielzeug sollte an das gebissene Kind zurück gegeben werden.
Kindern Platz schaffen: Spielen zwei Kinder in einem kleinen Kinderzimmer, kommt es häufig zum Streit. Um solche Situation zu entzerren, sollten die Kinder mehr Platz zum Spielen erhalten. Eltern können den Spielenachmittag vielleicht in den Garten, oder in das Wohnzimmer verlegen. So dass sich die Kinder auch einmal etwas aus dem Weg gehen können.
Aufmerksamkeit schenken: Eltern können positives Verhalten ihres Kindes vermehrt loben, also dem Kind generell in solchen Situationen mehr Aufmerksamkeit schenken. So lernt es, dass positives Verhalten (z.B. Teilen, Abwechseln, ..) eine positive Folge hat. Das gibt dem Kind Anreize, sich öfter so zu verhalten.
Jacqueline ist staatlich anerkannte Erzieherin, Fachkraft für U3 Betreuung, Inklusions- und Integrations-Pädagogin. Neben ihrer beruflichen Laufbahn, ist sie Mutter von zwei Kindern. Einem Mädchen und einem Jungen. Ihre Wissen und ihre Erfahrung schöpft sie also aus beruflichen und privaten Herausforderungen. Das macht sie zu einer perfekten Autorin für unser Magazin.