Zuerst die Vorsorge- und Ultraschalluntersuchungen, dann die U-Untersuchungen – Eltern sind darauf sensibilisiert, auf die Entwicklung ihres Babys zu achten. Wenn sich herausstellt, dass sich ein Kind nach der Geburt nicht entsprechend der “Norm” entwickelt oder entwickeln wird, kann an vielen Punkten auch die Physiotherapie hilfreich sein. Dann helfen Physiotherapeut:innen Säuglingen, Kindern und Jugendlichen, mit angeborenen oder erworbenen Krankheiten und Behinderungen, bei Entwicklungsstörungen und nach Verletzung, besser durch den Alltag zu kommen.

Physiotherapie: Was ist das?

Physiotherapie ist eine Bewegungstherapie, die dazu dient, die Bewegung und Funktion des menschlichen Körpers zu verbessern, Schmerzen zu lindern und die Bewältigung alltäglicher Aufgaben zu erleichtern. In diesem Sinne ist die Physiotherapie mehr als nur Krankengymnastik, obwohl dieser Begriff früher synonym für die Therapieform verwendet wurde.

Die Therapie kann eher aus Anleitung bestehen oder sehr praktisch sein, indem Physiotherapeut:innen mit manuellen Methoden ihren Patient:innen helfen, sich neue Bewegungsmuster bewusst zu machen, die vorher nicht genutzt wurden. Das kann die motorischen Fähigkeiten verbessern und vor zukünftigen Überlastungen des Körpers schützen.

Zur Physiotherapie kommen Menschen in jedem Alter – vom Neugeborenen bis zum Ü-90-Jährigen.

Wie profitieren Kinder von der Physiotherapie?

Physiotherapeut:innen helfen Kindern dabei, ihre körperliche Verfassung zu verbessern. Das bedeutet, dass durch die Therapie beispielsweise

  • die Kontrolle über die eigenen Bewegungen
  • die grobmotorischen Fähigkeiten wie Greifen, Krabbeln, Sitzen, Stehen und Laufen
  • die feinmotorischen Fähigkeiten wie das Aufheben von Gegenständen, Binden von Schnürsenkeln, Umblättern von Seiten oder das Schreiben
  • das Gangmuster oder die Gehgeschwindigkeit

verbessert werden.

Kinder bei der Physiotherapie
Physiotherapie ist übrigens für Kinder niemals langweilig. (Bild: © Photographee.eu / Adobe Stock)

Die Gründe, warum Kinder in diesen Bereichen Hilfe bedürfen, können ganz unterschiedlich sein. Sie reichen von Entwicklungsstörungen wie Autismus-Spektrum-Störungen , genetischen Anomalien wie Down-Syndrom oder STXBP1-Enzephalopathie, neurologischen Erkrankungen wie Zerebralparese, Fehlbildungen wie Spina Bifida, Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Fußdeformitäten, Hüftdysplasien oder Skoliosen, über Diagnosen wie ADHS bis hin zu Verzögerungen beim Erreichen von motorischen Meilensteinen, ohne klare Ursache.

Durch die Physiotherapie lässt sich nicht nur erlernen und einüben, wie alltägliche Aufgaben leichter vonstattengehen. Oft hat die Therapie weitreichendere Auswirkungen über das Therapieziel hinaus. Etwa, dass Kinder teils bessere Schulnoten bekommen, weil die geübtere Motorik auch das Schreiben erleichtert, oder sie sich generell ablenkungsfreier konzentrieren können. Auch im Bereich der sozialen Kompetenzen lässt sich oft eine Verbesserung beobachten, weil die therapierten Kinder mehr Selbstvertrauen gewinnen.

Was passiert bei der Physiotherapie für Babys und Kinder?

Wie sich die Arbeit von Physiotherapeut:innen mit Kindern gestaltet, ist sehr individuell und richtet sich nach den Bedürfnissen des Kindes. Hier sind einige Beispiele für unterschiedliche Altersstufen:

Säuglinge. Bei Säuglingen geht es um die motorischen Meilensteine , also Fähigkeiten, die in einem bestimmten Alter vorhanden sein sollten. Dazu zählt etwa, den Kopf selbstständig zu halten, sich auf die andere Seite rollen zu können, ohne Hilfe zu sitzen, zu krabbeln oder zu gehen.

Kleinkinder. Bei Kleinkindern können Probleme wie Koordinationsschwierigkeiten, häufige Unfälle, ständiges Reinlaufen in Möbel oder andere Gegenstände bestehen. Im Rahmen der Physiotherapie werden diese Probleme mithilfe von spielerischen Aktivitäten behandelt, um die grobmotorischen Fähigkeiten zu verbessern und zu lernen, Hindernissen auszuweichen. Die Grobmotorik entwickelt sich bis zum dritten Lebensjahr schnell und anschließend langsamer, etwa bis zum fünften Lebensjahr weiter.

Kinder und Jugendliche. Für Kinder und Jugendliche wird versucht, die Physiotherapiesitzungen den Interessen anzupassen und gleichzeitig die bestehenden Probleme, wie etwa chronische Schmerzen oder Verletzungen, durch Sport zu verbessern.

Was genau eine Physiotherapiesitzung beinhaltet, hängt von den individuellen Bedürfnissen und Zielen der kleinen Patient:innen ab.

Hintergrundwissen zum Beruf Physiotherapeut:in

Die Physiotherapie ordnen Viele dem medizinischen Bereich zu. Und tatsächlich wird die Physiotherapie begleitend, oder anstelle von pharmazeutischen oder operativen Behandlungen, durch Ärzt:innen verschrieben. Wie passen die Bewegungsexperten in den Bereich Medizin?

Bewegungstherapie für einen kleinen Jungen
Physiotherapeut:innen können vieles für Kinder erreichen. (Bild: © Monet / Adobe Stock)

Physiotherapeut:innen haben nicht Medizin studiert und werden rechtlich per Masseur- und Physiotherapeutengesetz mit den Berufen Masseur:in und medizinische/r Bademeister:in verknüpft. Um Physiotherapeut:in zu werden, kann man Physiotherapie studieren. Das ist in Deutschland seit 2001 möglich. Häufiger führt der Weg in den Beruf aber über eine dreijährige Ausbildung. Sie ist bundeseinheitlich geregelt und sieht vor, dass Bewerber:innen mindestens die mittlere Schulreife besitzen.

Die Ausbildung ist schulisch und enthält viele Praxiseinheiten. Gepaukt werden müssen Fächer wie Anatomie, allgemeine und spezielle Krankheitslehre, angewandte Physik, Biomechanik und Physiologie. Alles Fächer, die auch im Medizinstudium vorkommen. Zusätzlich gibt es spezielle Fächer, die auf den Beruf vorbereiten. Dazu zählen beispielsweise krankengymnastische Behandlungstechniken – oder wie die methodische Anwendung in den verschiedenen medizinischen Fachgebieten funktioniert.

Damit angehende Physiotherapeut:innen die erlernte Theorie in der Praxis umsetzen können, sind Praxiseinheiten im Krankenhaus ein fester Bestandteil der Ausbildung. Durchlaufen werden diverse Abteilungen wie Orthopädie, Neurologie, Innere Medizin und Chirurgie.

Die Ausbildung schließt mit einer staatlichen Prüfung ab. Um sich offiziell “Physiotherapeut/Physiotherapeutin” nennen zu dürfen, müssen die Auszubildenden einen mündlichen, einen schriftlichen und einen praktischen Prüfungsteil bestreiten und bestehen.

Wer die Ausbildung oder das Studium geschafft hat, kann als Physiotherapeut:in im Krankenhaus, einer Klinik, einem Gesundheitszentrum oder einer ärztlichen Praxis arbeiten. Einige Physiotherapeut:innen gründen auch ihre eigene Physiotherapie-Praxis.

Im Alltag arbeiten Physiotherapeut:innen direkt mit Patient:innen im Rahmen von Einzelsitzungen. Gruppensitzungen sind aber möglich. Vor der aktiven Behandlung erstellen Physiotherapeut:innen ein individuelles Behandlungskonzept, das auf einer vorher durchgeführten physiotherapeutischen Anamnese basiert. Im Rahmen der Anamnese untersuchen sie den oder die Patienten:in eingehend – dafür werden teils standardisierte Testverfahren benutzt. Anschließend überlegen sich die Bewegungsexperten, welche Anwendungen am sinnvollsten sind. Zur Auswahl stehen neben Übungen im Bereich der Krankengymnastik beziehungsweise der manuellen Therapie, auch Verfahren wie Atem-, Elektro-, Hydro-, Kälte- und Wärmetherapie. Das Behandlungskonzept enthält neben den geeigneten Maßnahmen und Methoden auch eine Einschätzung, wie lange die Therapie dauern wird. Manchmal reichen wenige Sitzungen und manchmal dauert die Physiotherapie mehrere Monate oder gar Jahre. Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich.

Der Verdienst im Bereich Physiotherapie bewegt sich zwischen knapp 2.000 Euro und rund 3.400 Euro pro Monat. Der Unterschied beim Gehalt ist aus mehreren Gründen groß. Zum einen sind die Verdienstmöglichkeiten regional unterschiedlich und tendenziell in Großstädten besser, als in ländlichen Regionen. Zum anderen spielt es eine große Rolle, ob der Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden ist. Ohne Tarifvertrag liegt der Verdienst deutlich niedriger.


Im Video: Tanzbewegungstherapie für ältere Menschen


Fazit und Anmerkungen

Physiotherapie ist mehr als nur Krankengymnastik und kann Babys und Kindern helfen, wichtige Fähigkeiten zu erlernen oder wiederzugewinnen. Je früher eine physiotherapeutische Behandlung anfängt, desto besser. Denn vor allem die grundsätzlichen Fähigkeiten im Bereich der Motorik, werden nur bis zu einem Alter von fünf Jahren ausgebildet.

Mädchen bei der Physiotherapie
Bild: © Photographee.eu / Adobe Stock

Wer sich als Mama oder Papa sorgt, ob sich das eigene Kind optimal entwickelt, oder von physiotherapeutischer Unterstützung profitieren würde, sollte das Thema beim nächsten Besuch in der Kinderarzt-Praxis ansprechen. Auch ein direkter Besuch bei einer Physiotherapeut:in ist möglich, um den aktuellen Entwicklungsstand des Kindes einschätzen zu lassen.

Physiotherapeut:in nutzen standardisierte Tests, um Dinge wie motorische Fähigkeiten, Körperhaltung, Bewegungsradius, Gelenkreichweite, Muskeltonus und Muskelkraft zu ermitteln und die Ergebnisse dann mit den Norm-Daten zu vergleichen.

Grundsätzlich ist es aber so, dass sich Eltern bitte nicht von den sogenannten “Normen” verrückt machen lassen sollten. Das ist übrigens auch ein Satz, den eine gute Physiotherapeut:in sehr schnell fallen lassen wird. Denn Normen geben nur Statistiken wieder. Sie berücksichtigen jedoch nicht die Prioritäten und Interessen von Kindern, welche sich in bestimmten Phasen, eher mit Sprache oder kognitiven Dingen auseinandersetzen. Manchmal steht die Motorik dann ein wenig in der Warteschlange. Trotzdem kann man dann (auf Wunsch) natürlich physiotherapeutisch unterstützen, um das bisher fehlende Glied auszugleichen.


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