Kommen wir zum Schluss zu einer ganz persönlichen Geschichte. Eine, die keine ist, weil sie uns selber passiert ist.
Unsere Große war noch sehr klein (ca. 2,5 Jahre), als wir damals in das Haus meiner Eltern gezogen sind, um meine Mutter zu pflegen. Am Ende hatte sie leider nicht mehr allzu lange von ihrer Oma. Aber ein gutes Jahr wurde den beiden noch geschenkt. Etwa ein halbes Jahr nach dem Tod meiner Mutter begann eine Phase, in der unsere Tochter im Spiel auch schon mal verschiedene Rollen übernahm. Man hörte sie also ständig mit den Puppen quasseln und hantieren. Sie unterhielt sich mit ihnen. Soweit alles völlig normal.
Irgendwann kam dann ein Abend, den wir bis heute nicht vergessen haben – und sicherlich auch niemals vergessen werden. Denn an diesem Tag erzählte sie uns zum wiederholten Mal, dass sie sich mit Oma unterhalten habe. Sie hätten auch gemeinsam gespielt.
Uns war schmerzlich bewusst, dass sie ihre Oma wirklich sehr vermisst – und generell so langsam zu verstehen begann, dass sie meine Mutter künftig nur noch auf Fotos wiedersehen würde. Also mussten wir jedes mal schwer Schlucken, wenn sie von ihren Spielerlebnissen mit der verstorbenen Oma erzählte. Bis zu diesem besagten Abend taten wir das selbstverständlich als Trauerbewältigung ab. Und zwar ohne den Hauch eines Zweifels.
Irgendwo zwischen Schweinebraten und Pudding-Dessert brach es dann aus ihr heraus: Sie wolle jetzt auch ENDLICH einen Hund. So einen, wie die Oma als Kind hatte!
Während meine Frau in dieser Situation abwiegelnd schmunzelte, lief es MIR jedoch eiskalt den Rücken hinunter. Ich selber wollte zwar schon IMMER einen Hund. Das war aber nie möglich geworden, weil mein Vater panische Angst vor Hunden hatte. Aber was mir beinahe das Blut gefrieren ließ, war die Tatsache, dass nur ich alleine der einzige Mensch war, der (wahrscheinlich neben dem Bruder meiner Mutter) heute noch wissen konnte, dass sie als Kind einmal einen Hund besaß. Und ich wusste auch, was es für ein Hund war. Ein Schäferhund. Und DEN beschrieb unsere Tochter nun fleißig.
Ich selber wusste damals erst seit knapp zwei Jahren, dass meine Mutter wohl ungefähr im Alter von 5 bis 13 Jahren einen Schäferhund besaß. Ich war damals völlig überrascht. Mein Vater übrigens ebenso. Er kannte dieses Detail aus ihrer Kindheit nicht. Und am darauf folgenden Tag schwor er mir, dass er mit unserer Tochter niemals darüber gesprochen hatte. Wirklich niemand, den ich fragte, hatte es ihr erzählt. Und ich fragte auch mich selber noch viele Male sehr intensiv, ob ich mich vielleicht daran erinnere, einen Hund zwischen zwei Sätzen erwähnt zu haben.
Aber unsere Maus bestand ohnehin darauf, dass sie es von niemandem, außer Oma in ihrem Zimmer erzählt bekommen habe. Verwirrend bleibt es bis heute. Denn es gab leider – aufgrund des schlechten gesundheitlichen Zustandes meiner Mutter – nicht eine Situation, in der Oma und Enkelin länger als ein paar Momente alleine in einem Raum verbracht hätten.
Auch heute noch füllt sich die Luft im Haus gefühlt mit elektrischer Spannung, wenn wir über meine Eltern reden. Man könnte es gruselig finden. Aber – so fühlt es sich nicht an.