AOK-Kindergesundheitsatlas zeigt: Fast die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen leidet an psychosomatischen Beschwerden.
Fast die Hälfte der Kinder im Rheinland und in Hamburg leidet nach Angaben der Eltern an psychosomatischen Beschwerden. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen von familiären Belastungen über schulische Sorgen bis hin zu Zukunftsängsten. Die zahlreichen Krisen belasten Kinder und Jugendliche stark.
Wer kennt nicht das Gefühl, dass schlechte Nachrichten, Streit oder Sorgen die Seele belasten und sich auch körperlich auswirken. Diese Wechselwirkung von psychischen und körperlichen Symptomen wird als psychosomatisch bezeichnet. Für den Kindergesundheitsatlas der AOK Rheinland/Hamburg wurden Eltern gefragt, ob ihre Kinder regelmäßig unter solchen Symptomen leiden (Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, Niedergeschlagenheit, Gereiztheit, Nervosität, Einschlafprobleme und Benommenheit). Wenn ein Kind oder Jugendlicher von mindestens zwei dieser psychosomatischen Beschwerden zumindest fast jede Woche betroffen ist, spricht man von multiplen psychosomatischen Beschwerden, laut HBSC-Symptom-Checkliste der WHO.
Kinder und Jugendliche leiden zunehmend an psychischen Problemen
Besonders Kinder und Jugendliche sind in ihrer psychischen Gesundheit durch globale Krisen belastet, das geht aus der aktuellen COPSY-Studie hervor. Die Folgen der Corona-Pandemie und Ängste durch Kriege und Klimawandel haben die Situation demnach noch verschlechtert.
Nach Angaben der Eltern treten multiple psychosomatische Beschwerden bei einem von vier Kindern und Jugendlichen (25 Prozent) auf (s. Abb. 6.8, Seite 170). Bei 22 Prozent wird von mindestens einer psychosomatisch bedingten Beschwerde berichtet.
Das Auftreten multipler psychosomatischer Beschwerden nimmt mit steigendem Alter zu: Bei den 14- bis 17-Jährigen treten sie im Vergleich zu den 3- bis 6-Jährigen um vier Prozentpunkte häufiger auf (27 Prozent vs. 23 Prozent).
„Schon Kinder und Jugendliche sind großen Herausforderungen ausgesetzt: Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen sozialen Einschnitte haben ihnen und ihren Familien viel abverlangt. Die gesundheitlichen Folgen sind nun sichtbar und werden uns noch lange begleiten“, erklärt Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg. „Zudem wächst gerade die erste Generation heran, die bereits im Kindesalter mit sozialen Medien und deren Einfluss auf den Alltag konfrontiert wird. Damit stellen sich für Eltern, Bildungseinrichtungen und Akteure im Gesundheitswesen auch neue Aufgaben in der Aufklärung und Prävention, etwa im Bereich Medienkompetenz und Mediensucht. Das sind nur zwei Beispiele für die gegenwärtigen Belastungen der jungen Generationen – viele weitere kommen im Alltag hinzu.“
Mobbing und psychosomatische Beschwerden hängen zusammen
Ein wichtiges Thema im Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen ist Mobbing – hier wurden Eltern sowohl nach Cyber-Mobbing als auch nach Mobbing in der analogen Welt befragt. 43 Prozent der Eltern von 3- bis 17-Jährigen, die Cyber-Mobbing bei ihrem Kind wahrnehmen (3 Prozent), berichten von multiplen psychosomatischen Beschwerden. Stellen die Eltern analoges Mobbing bei ihrem Kind fest (7 Prozent), berichten 51 Prozent von ihnen von psychosomatischen Beschwerden.
Krisen und (Zukunfts-) Ängste belasten Kinder und Jugendliche
Um weitere mögliche Einflüsse auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu beleuchten, wurden die Eltern auch nach der emotionalen Belastung ihrer Kinder gefragt. Konkret ging es um Zukunftsangst, Kriegsangst, die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen (fear of missing out, FOMO), Klimaangst, finanzielle Angst sowie Unsicherheit bezüglich des eigenen Geschlechts. Das Ergebnis: Zukunftsangst (8 Prozent), Kriegsangst (7 Prozent) und FOMO (7 Prozent) belasten einen größeren Teil der Kinder und Jugendlichen von 7-17 Jahren nach Einschätzung ihrer Eltern. Mit steigendem Alter treten diese Ängste häufiger auf, ebenso besteht ein Zusammenhang zur Dauer des Medienkonsums.
Die Hälfte der Eltern, die bei ihrem Kind Zukunftsangst wahrnehmen, berichtet auch vom Auftreten psychosomatischer Beschwerden. Besonders ausgeprägt ist dies bei Jugendlichen: In der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen, bei denen die Eltern Zukunftsangst konkret wahrnehmen, berichten 55 Prozent der Eltern auch von multiplen psychosomatischen Beschwerden ihrer Kinder.
„Die Vielzahl der gesellschaftlichen Herausforderungen ist groß, sie belastet Kinder und Jugendliche direkt und indirekt. Diese Ängste und Sorgen nehmen wir ernst“, sagt Sabine Deutscher. Als Gesundheits- und Familienkasse bietet die AOK Rheinland/Hamburg Angebote zur Resilienz und Achtsamkeit, aber auch Rat und Hilfe zum Umgang mit Ängsten wie den Familiencoach Kinderängste. „In der Prävention werden wir uns auch auf Grundlage der Ergebnisse des Kindergesundheitsatlas mit anderen Akteuren aus dem Gesundheitswesen über eine bessere Vernetzung von Angeboten austauschen und ergänzende Maßnahmen initiieren, wenn diese notwendig sind. Wichtig ist uns zudem eine gezielte Kommunikation und eine umfassende, zielgruppengerechte Aufklärung. Wir möchten Informationen vermitteln, die leicht verständlich sind, Vertrauen schaffen und die Menschen befähigen, gesundheitsförderliche Entscheidungen zu treffen“, unterstreicht Deutscher.
Hintergrund zum Kindergesundheitsatlas
Für den Kindergesundheitsatlas wurden 5.000 Elternhäuser aus dem Rheinland und Hamburg befragt.
Die psychosomatischen Gesundheitsbeschwerden wurden über die HBSC-Symptom-Checkliste für die 3- bis 17-Jährigen erhoben und umfassen acht gesundheitliche und psychische Beschwerden. Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher von mindestens zwei dieser Beschwerden zumindest fast jede Woche betroffen ist, spricht man nach HBSC von multiplen psychosomatischen Beschwerden.
Die Liste der Symptome umfasst: Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, Niedergeschlagenheit, Gereiztheit, Nervosität, Einschlafprobleme und Benommenheit.
Den kompletten Kindergesundheitsatlas gibt es hier: Kindergesundheitsatlas für Rheinland & Hamburg (aok.de)
Familiencoach Kinderängste: Familiencoach Kinderängste (aok.de)