Hat man ein Baby, bekommt man ständig diese eine Frage gestellt: “Schläft es denn schon durch?”
Kann man sie nicht mit “Ja” beantworten, folgen mitleidige Blicke und gut gemeinte Ratschläge: “Du musst es einfach schreien lassen, dann schläft dein Kind schnell durch.”, oder “Du musst konsequenter sein, nachts braucht es keine Mahlzeit mehr.”. Doch ab wann kann ein Baby durchschlafen? Und bedeutet Durchschlafen direkt, dass das Kind 7-8 Stunden am Stück schläft? Wir haben euch hier Informationen rund ums Durchschlafen im Babyalter zusammengefasst – und räumen mit den weit verbreiteten Mythen um Babys Schlaf auf.
Natürlich ist der Traum vieler frischgebackenen und absolut übermüdeter Eltern, dass ihr Baby bitte schon bald durchschläft. Verständlich, denn der Alltag mit Baby, und möglicherweise mit weiteren Kindern, ist anstrengend. Schnell geraten Eltern an die Grenzen ihrer Kräfte, wenn sie auch nachts nicht zur Ruhe kommen. Doch der wohlklingende Satz “Mein Kind schläft durch”, weckt unrealistische Erwartungen. Von Durchschlafen spricht man, wenn ein Kind 5 – 6 Stunden am Stück schläft. Dass kleine Babys bereits 8 oder mehr Stunden schlafen, ist eher die Ausnahme. Das heißt wiederum auch, wird ein Säugling um 20 Uhr zum Schlafen hingelegt, kann es zwischen 2 und 4 Uhr morgens schon ausgeruht und fit für den nächsten Tag sein.
Andererseits berichten auch immer wieder Eltern davon, dass ihre Babys schon sehr früh durchgeschlafen haben. Man sieht also, dass nicht jedes Kind gleich ist. Dennoch ist es eher die Ausnahme. Warum das so ist, erfahrt ihr im weiteren Beitrag.
Der sanfte Weg zu mehr Schlaf
Damit man nachts vielleicht doch ein paar Stunden mehr Schlaf bekommt, ist es hilfreich, über einige Tage ein Schlaftagebuch über das Baby zu führen. In der Regel schlafen Babys 12-20 Stunden am Tag. Das ist bei jedem Kind sehr individuell. Auch die Anzahl der dafür benötigten “Nickerchen” können variieren. Mittels dieses Schlaftagebuchs, können Eltern die Schlafgewohnheiten ihres Kindes erkennen und danach die Schlafzeiten umverteilen. Zum Beispiel kann man das Kind abends später hinlegen, oder versuchen es tagsüber kürzer schlafen zu lassen, damit es nachts insgesamt länger schläft. Wichtig ist auch, dass Eltern ihrem Kind deutlich zeigen, dass Nacht ist. Bedeutet, nur leise mit dem Kind zu sprechen, bei sanftem Licht zu wickeln. So lernt das Kind mit der Zeit, dass die Nacht Ruhe und Stille bedeutet.
Viele Eltern können von einem Baby, das nachts fünf bis sechs Stunden am Stück schläft, nur träumen. Bei einem Gespräch mit einer anderen Mutter erzählte sie mir: “Meine Tochter, ist 10 Monate alt und wird noch gestillt. Sie möchte zeitweise jede Stunde trinken. Früher lag der Abstand bei drei oder vier Stunden.” Sie war am Ende ihrer Kräfte und überlegte schon abzustillen, um endlich Nachts mehr schlafen zu können. Es gibt keine Sicherheit, dass Babys die eine Milchnahrung bekommen, besser oder schneller durchschlafen.
Pucken kann helfen
Schon früh merkten unsere Vorfahren – eng in Tücher gewickelte Babys schlafen besser und ruhiger. In vielen Ländern ist das Einwickeln von Babys bis heute Tradition und wird sofort nach der Geburt praktiziert. In China, Russland, Osteuropa und Amerika kann man dies häufig beobachten. Seit einigen Jahren wird auch in den westlichen Ländern das “Pucken” wieder entdeckt.
Eine Studie am Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus, einem Lehrkrankenhaus der Berliner Charité, ergab 2009: Babys, die für die Studie gepuckt schliefen, wachten bis zur Hälfte seltener auf, als Babys in einem herkömmlichen Schlafsack mit freien Ärmchen. Auch andere Studien hatten beobachtet, dass Babys durch das „Swaddling“ (engl. Einwickeln) ruhiger und insgesamt länger schlafen. Dabei wird der Anteil des sogenannten Non-REM-Schlafs (Tiefschlafphase) erhöht. Dass das Baby beim Pucken immer in Rückenlage gelegt wird und sich nicht selbst umdrehen kann, soll zudem das Risiko des Plötzlichen Kindstods (SIDS) senken.
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Rituale geben den Babys Sicherheit
Den Kindern fällt das Einschlafen und Durchschlafen leichter, wenn sie sich auf das zu Bett gehen vorbereiten können. Das bedeutet, eine immer wiederkehrende Reihenfolge und Ablauf, des Abends. Das waschen, anziehen von Schlafanzug und das abendliche Stillen oder Füttern, das danach folgende ins Bett legen und das Aufziehen der Spieluhr – all das lässt das Baby wissen – “Jetzt ist Abend, jetzt soll ich schlafen”. Diese Sicherheit und Rituale, stärken das Baby und lässt es ruhiger schlafen.
Das Einschlafen braucht oft Begleitung der Eltern
Bevor aber überhaupt an Durchschlafen zu denken ist, müssen die Kleinen erst einmal einschlafen. Schon das wird für Eltern oft zur Geduldsprobe. Selbst wenn das Baby müde ist, ist das Einschlafen eine Herausforderung. Die Eindrücke vom Tag und das Erlebte, lässt Kinder schwer zur Ruhe kommen. Das Abschalten und vom Tag loszulassen braucht einige Zeit. Gerade Säuglinge müssen das erst lernen. Helfen kann neben wiederkehrenden Ritualen, ein ruhiger Ausklang des Tages. Kuscheln, gedämpftes Licht, vielleicht ein ruhiges Lied – dabei das Baby etwas wiegen – lässt es schon vor dem eigentlichen zu Bett gehen, abschalten und die Eindrücke verarbeiten. Liegt das Kind dann im Bett, kann streicheln oder einfach das Händchen halten beim einschlafen helfen. Das ständige aus dem Bettchen holen, ist ehr kontraproduktiv. Dabei werden die Kleinen jedes Mal wacher und schlafen noch schwerer ein.
Wann kommt ein richtiger Schlafrhythmus?
Die Statistik sagt, dass die Hälfte aller Kinder in den ersten fünf Lebensjahren noch ein Mal pro Nacht aufwachen, ein Fünftel von ihnen sogar mehrfach. Da ist es doch fast natürlich, dass Säuglinge und Babys viel häufiger wach werden. Mütter und Väter müssen also Geduld haben, der Schlafrhythmus entwickelt sich bei jedem Kind, bei dem einen früher, beim anderen später. Eltern können diese Entwicklung unterstützen, indem sie für das Baby einen regelmäßigen, strukturierten Tagesablauf schaffen.
Wenn man aber durch das Schlafverhalten seines Nachwuchses physisch oder psychisch am Ende ist, muss schnellstens Entlastung gefunden werden. Eltern sollten sich beim zu Bett bringen des Babys, oder beim nächtlichen Aufstehen abwechseln, sich gegenseitig Auszeiten verschaffen, einen Babysitter (vielleicht die Oma) in Anspruch nehmen. Und natürlich können Eltern sich in diesem Fall Hilfe durch eine Beratungsstelle holen. Aber dass Babys durchschlafen können, so wie man von bei Kindern und Erwachsenen kennt, ist leider beinahe ein Mythos.
Jacqueline ist staatlich anerkannte Erzieherin, Fachkraft für U3 Betreuung, Inklusions- und Integrations-Pädagogin. Neben ihrer beruflichen Laufbahn, ist sie Mutter von zwei Kindern. Einem Mädchen und einem Jungen. Ihre Wissen und ihre Erfahrung schöpft sie also aus beruflichen und privaten Herausforderungen. Das macht sie zu einer perfekten Autorin für unser Magazin.